Bei der Stichwahl am 10.10.2004 wurde die aus Essen stammende Dr. Angelika Kordfelder mit 52,5 Prozent der Stimmen als erste Bürgermeisterin der SPD an die Spitze der Stadt gewählt. Fünf Jahre später war sie in Rheine so beliebt, dass sie mit 62,70 % Prozent wiedergewählt wurde.
Heute ist die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Angelika Kordfelder in Rheine zu Hause und engagiert sich unter anderem als sachkundige Bürgerin in der SPD-Fraktion.
Wir fragten Dr. Angelika Kordfelder nach ihren Erinnerungen an die Jahre als Rheines Bürgermeisterin.
Wie alles begann
Von Oktober 2004 bis Oktober 2015 durfte ich als hauptamtliche Bürgermeisterin für Rheine und seine Bürgerinnen und Bürger tätig sein, als Repräsentantin unserer lebens- und liebenswerten Stadt im In- und Ausland, als Chefin unserer Stadtverwaltung und als Managerin des kommunalpolitischen Systems, dem Rat unserer Stadt.
Die Direktwahl gewann ich mit Mehrheit gegen den damaligen Amtsinhaber, Bürgermeister Wilhelm Niemann von der CDU. Meine Wahl war verbunden mit einem riesigen Vorschuss an Vertrauen und zugleich eine große Ehre, zumal ich nicht aus der Stadt kam, die mir nunmehr zweite Heimat geworden ist, und mit der und in der ich mich in einem einjährigen Wahlkampf erst einmal bekannt machen musste.
Altbürgermeister Günter Thum, Amtsinhaber bis 1989, hatte mich für „seine“ Stadt interessiert. Mit ihm zusammen leitete ich einige Jahre die Arbeitsgruppe Kultur, Sport und Freizeit bei der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen, einem Gremium an der Nahtstelle zwischen Kommune und Landespolitik. Günter Thum war in seiner Funktion als Bürgermeister in diesem Gremium, ich als Mitglied des Rates der Stadt Essen.
Ich bin in Essen geboren und habe dort bis zu meinem Umzug nach Rheine Ende 2004 gelebt. 10 Jahre gehörte ich dem Rat der Stadt Essen an, und ich war Vorsitzende unseres Ortsvereins.
Am Rande einer unserer Sitzungen im Landtag erfuhr ich von Günter Thum, dass die SPD Rheine einen Kandidaten, möglichst eine Kandidatin, sucht. Lange haben wir über verschiedene Möglichkeiten gesprochen, bis ich schließlich Kandidatin für das Bürgermeisteramt und letztendlich Bürgermeisterin wurde.
Der Stadt Bestes gesucht
„Suchet der Stadt Bestes“ (Jeremia 29,7), diese Botschaft gaben mir und den Ratsmitgliedern bei meinem Einführungsgottesdienst im Oktober 2004 die beiden Pfarrer mit auf den Weg, und dieses Wort war mir stets Wegweiser und Verpflichtung.
Ein Masterplan für Rheine

„Wir werden weniger, älter, bunter.“ Diese plakative Aussage kennzeichnete bereits seit Beginn der 2000er Jahre den sich abzeichnenden demographischen Wandel, und die damit verbundenen Herausforderungen waren und sind riesig.
Deshalb war es mir ein besonderes Anliegen, diese Herausforderungen mit einem Gesamtentwicklungsprozess anzugehen, in den alle Bürgerinnen und Bürger einbezogen wurden.
Der Prozess mündete dann tatsächlich im November 2007 durch einstimmigen Ratsbeschluss in einen Masterplan für die Entwicklung von Rheine, das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Rheine 2020. Die 28 Leitprojekte werden aktuell und auch weiterhin nach und nach abgearbeitet, zum Beispiel in der Bahnseitenflächen-Entwicklung, der Innenstadtoptimierung oder als „Soziale Stadt Dorenkamp“.
Der Rat hat 2014, wiederum einstimmig, das Planwerk Rheine 2025 verabschiedet, die Richtschnur für die nächsten noch sieben, acht Jahre. Dieses Gesamtplanwerk bietet eine solide, bürgerschaftlich und politisch fundierte Sicherheit für die gemeindliche Weiterentwicklung.
Allerdings sollte nunmehr baldmöglichst an den Zeitraum bis 2030 gedacht werden, denn die Erstellung aktualisierter Pläne unter Beteiligung der Öffentlichkeit dauert etwa zwei Jahre.
Unternehmensleitbild
Riesig dankbar bin ich für die Unterstützung, die ich in der Verwaltung – „meiner Stadtverwaltung“ – erfahren durfte. Ich bedanke mich auch an dieser Stelle für die Akzeptanz und den Respekt, für die Loyalität, für die Expertise und so manch kritisches Hinterfragen, für die Kollegialität und das Angenommensein und für jede Schlacht, die wir gemeinsam geschlagen und manchmal doch gegen den Stadtrat verloren haben.
Ich wünsche mir auch heute noch, dass alle KollegInnen im Sinne unseres Unternehmensleitbildes weiterarbeiten, denn unsere Stadtverwaltung ist richtig gut! Das steht auch im Leitbild der Stadtverwaltung, aber es heißt auch: „Wir teilen unser Wissen!“
Förderung bürgerschaftlichen Engagements
Ich bin sehr glücklich, dass es mir mit der Einrichtung der Stabsstelle Ehrenamt gelungen ist, eine gute Unterstützungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeit zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements in Rheine zu schaffen.
Bei vielen Anlässen konnte ich mich überzeugen von der motivierenden Stimmung, die eine solche Unterstützungsleistung seitens der Verwaltung in die Bürgerschaft bringt, zum Beispiel bei unseren Stadtteilbeiräten und deren zukunftsweisenden Projekten im Rahmen unserer in meiner Zeit auf den Weg gebrachten Stadtteilwettbewerbe.
Europaengagement: Engagement für den sozialen Frieden

Ebenso wie Günter Thum bin ich eine überzeugte Europäerin und habe mich deshalb über unsere Stadt hinaus in nationalen und internationalen Gremien engagiert. Dies diente zum einen der Verbesserung unserer städtischen Kontakte und war zugleich Marketing für Rheine, zum anderen hatten wir in all den Jahren meiner Amtsführung in unserer Stadt immer die aktuellsten Informationen aus Europa und direkte Kontakte zu den EU-Büros in Brüssel und Straßburg.

Sehr gerne habe ich unsere Städtepartnerschaften unterstützt, zumal diese nicht nur auf der Verwaltungsebene von Bürgermeister zu Bürgermeister stattfinden, sondern von einer breiten Bürgerschaft getragen werden. Ehrenamtlich habe ich, so oft es ging, auch den jährlichen Hilfstransport nach Litauen begleitet – und dabei das erste Mal im Leben einen Bulli durch Litauen gefahren. Die nächste Fahrt steht im Übrigen im Herbst 2018 an.
Persönlich ist mir durch meine internationalen Kontakte, zum Beispiel ein Monitoring, welches ich in Großbritannien geleitet habe, einmal mehr deutlich geworden, dass unsere eigenen Möglichkeiten gemeindlicher Weiterentwicklung abhängen von der Schaffung und Nutzung internationaler Kontakte, etwa bei der gemeinsamen Projektierung sowie Erstellung von EU-Förderanträgen. Basis hierfür ist eine gemeinsame sprachliche Verständigung. Deshalb halte ich die Weiterentwicklung von Sprachkompetenz und generell interkulturelle Kompetenz für Verwaltungen und Räte für notwendig.
Besondere Herausforderungen
Zu den großen Herausforderungen während meiner Amtszeit gehörte zunächst der Kampf um den Bundeswehrstandort Rheine, schwerpunktmäßig die Theodor-Blank-Kaserne. Doch da halfen weder die Unterstützung des Kreises, noch meine Kontakte mit dem Verteidigungsminister de Maiziere. Der Verlust unserer Bundeswehrstandorte brachte zugleich den Verlust von Rheines Identität als Garnisonsstadt mit sich.
Zu den schwierigsten Stunden meiner Amtszeit gehörte die Teilnahme an der Bestattung einer jungen Rheinenserin, die im abgestürzten Flugzeug MH 370 auf dem Weg nach Australien ihr Leben verlor.
Ab 2015 stellte uns die Themen „Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung“ vor große Herausforderungen. Ich glaube aber, dass wir diese Situation im Sinne aller Beteiligten gemeinschaftlich gut gelöst haben. Dankbar bin ich für die Welle von Hilfsbereitschaft aus der Bürgerschaft für die Menschen, die unseren Schutz und unsere Solidarität gesucht haben.
Vom „Gehen und Bleiben“
Zum Ende meiner zweiten Amtszeit habe ich mich durchaus schweren Herzens entschieden, nicht noch ein drittes Mal zu kandidieren. Politische Ämter sind immer Ämter auf Zeit, und irgendwann steht in der Politik für jede und jeden die Entscheidung an über das „Gehen oder Bleiben“.
Ich habe mich für die Alternative „Gehen und Bleiben“ entschieden. Ich bin aus dem Amt der Bürgermeisterin ausgeschieden und habe meinem Nachfolger nicht nur ein gut bestelltes Haus hinterlassen, sondern zugleich den Masterplan „Rheine 2025“, das Planwerk für die Weiterentwicklung unserer Stadt bis 2025. Dieser Masterplan wird derzeit sukzessive abgearbeitet, und das tut unserer Stadt gut. Die Einweihung der Emsgalerie, die Neugestaltung des Busbahnhofs und die Entwicklungen rund um den Bahnhof seien hier beispielhaft dafür erwähnt, dass sich unsere Planungen der letzten 10 Jahre gelohnt haben.

Unserer Stadt bleibe ich sehr gerne als Bürgerin treu, eine Bürgerin, die sich auch weiterhin politisch und ehrenamtlich engagiert.
Politisch engagiere ich mich als sachkundige Bürgerin im Betriebsausschuss „Kulturelle Begegnungsstätte Kloster Bentlage“. Dies korrespondiert gut mit meiner beruflichen Tätigkeit, denn inzwischen bin ich wieder (wie in meiner Zeit vor dem Bürgermeisteramt) neben Forschung und Lehre als Senior Consultant in Beratungsprozesse, insbesondere in der Sozialen Arbeit und Wohlfahrtspflege, eingebunden.
Ebenfalls bin ich Vorsitzende der Stiftung Bentlage
Daneben gilt mein ehrenamtliches Interesse dem Kloster Bentlage und dessen Potentialen – und natürlich nach wie vor EUROPA. Hier bin ich Vorsitzende der Europa Union Kreis Steinfurt. Weiterhin ehrenamtliche Botschafterin für kommunale Entwicklungspolitik im Auftrag des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik)
Als Mitglied des Europäischen Hauptausschusses des RGRE und als Mitglied der Europa Union finde ich genug Engagementmöglichkeiten, und dafür bin ich sehr dankbar, denn ehrenamtliches Engagement ist eine wirkliche win-win-Situation, für das Engagement und für den Ehrenamtler, will sagen: Ich habe dadurch wirklich gewonnen an Lebensfreude und Lebensqualität – und kann nur jedem empfehlen, es mir im Ehrenamt gleich zu tun!