Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Dominik Bems

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Lüttmann,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

sehr geehrte Medienvertreter/innen,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates,

sehr geehrte Damen und Herren,

Im letzten Jahr haben wir unsere Haushaltsreden noch unter dem Eindruck von Corona gehalten. Jetzt halten wir sie unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine. Der völkerrechtswidrige Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und die fast täglichen Kriegsverbrechen machen uns fassungslos. Wir sind aber nicht handlungsunfähig. Auf Bundesebene unterstützen wir die Ukraine militärisch, humanitär, machen uns unabhängig von russischen Energieimporten, halten aber immer diplomatische Wege offen. Auf kommunaler Ebene möchte ich insbesondere die humanitäre Hilfe betonen. Sowohl die Stadt Rheine selbst als auch viele Bürger*innen haben Geflüchtete aufgenommen, Ankommende unterstützt und für diejenigen gespendet, die sich noch in der Ukraine befinden. U.a. mit Sprachkursen in Rheine oder mit Hilfstransporten an die Grenze zur Ukraine unterstützen Bürger*innen unserer Stadt die Ukrainer*innen. Dafür sage ich an dieser Stelle „Danke“.

Doch jetzt konkret zum Haushalt. Dabei blicke ich auch über die aktuelle Haushaltssituation hinaus. Wir müssen uns nach „sieben“ fetten Jahren, auf „sieben“ magere Jahre einstellen:

Die zentralen Problemstellungen kommunaler Haushalte sind die Transformationsprozesse wie Digitalisierung, Klimaschutz, Mobilitätswende, demographische Veränderungen – auch soziale Verwerfungen – und die damit größtenteils einhergehenden zusätzlichen Aufgaben, die Bund und Land den Kommunen aufbürden. Dabei sind die Kommunen strukturell unterfinanziert. Durch das Land waren es allein zwischen 2014 und 2020 214 neue Aufgaben, die die Kommunen zu übernehmen hatten. Und trotz des Durchgriffsverbots des Bundes kommen insbesondere durch – notwendige – sozialpolitische Maßnahmen des Bundes mehr Aufgaben auf die Kommunen zu.

In der Diskussion in den Ausschüssen hatte ich immer wieder das Gefühl, dass insbesondere CDU und FDP glauben, diese Mehraufgaben könnten mit dem gleichen oder sogar weniger Personal gestemmt werden. Es muss in einigen Bereichen sogar einen Personalzuwachs geben, damit die Verwaltung handlungsfähig bleibt. Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise bei Überlastungsanzeigen von Standesbeamten einfach auf Durchzug geschaltet wird und trotz der Schließung der Geburtsstation in Ibbenbüren hier kein Handlungsbedarf gesehen wird. Das Nichthandeln bezahlen die Bürger*innen mit langen Bearbeitungszeiten und die Mitarbeiter*innen im schlechtesten Fall mit ihrer Gesundheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorstellung des müßiggängigen Kommunalbeamten stimmt so nicht (mehr). In mehreren Bereichen sind Mitarbeiter*innen der Verwaltung am Anschlag. Wir als Rat tragen dafür Verantwortung.

Die Ausweitung des Wohngeldes ist eine richtige Maßnahme der Bundespolitik. Nicht richtig ist, dass im Gesetz die Konnexität bewusst ausgeschlossen wurde. Nichtsdestotrotz liegt es an uns diejenigen, die das Wohngeld brauchen nicht allein zu lassen. Jeder verzögerte Monat verschärft die Frage, ob sich Wohngeldberechtigte das Wohnen noch leisten können. Leider gehen wir zunächst nur mit vier Stellen in den Stellenplan. In Ibbenbüren werden übrigens sechs neue Stellen eingerichtet. Da erscheinen die von der Verwaltung veranschlagten benötigten acht Stellen nicht zu hoch gegriffen. Die Gefahr ist groß, dass die Stellen nicht reichen werden und wir – entsprechend des Kompromisses im HDF –Mitte des Jahres nachbesetzen müssen. Das ist mit Blick auf die Inflation für viele Menschen zu spät. Was mich in diesem Zusammenhang sehr geschmerzt hat, war die Leichtigkeit, mit der CDU und FDP das Warten der Wohngeldberechtigten, bei denen es um wirtschaftliche Existenzen geht, akzeptiert, während der aktuelle Gewerbesteuerhebesatz mit Zähnen und Klauen verteidigt wurde. Da passt der soziale Kompass nicht.

Damit sind wir auch beim nächsten Punkt. Wir werden in den nächsten Jahren noch mehr Entscheidungen zur Vermeidung einer Haushaltssicherung zu treffen haben. Wir werden selbst bei freiwilligen Leistungen nur bedingt kürzen können, weil wir sonst in Bildung, Kultur oder Sport Strukturen gefährden würden. Deswegen werden wir über die Einnahmenseite nachdenken müssen. Der Ansatz der SPD-Fraktion war es proaktiv an dieses Thema heranzugehen und die Gewerbesteuer in den Blick zu nehmen. Die Gewerbesteuer ist die solidarischste kommunale Steuerform, da sie stärkere Schultern mehr und schwächere weniger tragen lässt. Die Gewerbesteuer ist eine Gewinnsteuer und viele Gewerbetreibende müssen aufgrund von Freibeträgen und Verrechnungsmöglichkeiten mit der Einkommenssteuer keine Gewerbesteuer zahlen. Dieses Jahr gab es (noch) keine Mehrheit für eine Hebesatzanpassung. Wahrscheinlich haben wir damit wertvolle Zeit verloren, um in den nächsten Jahren stärkere Steuererhöhungen und Kürzungen im Haushalt zu vermeiden.

Es wird viele wichtige Herausforderungen geben, deren Bewältigung in den nächsten Jahren Geld kosten werden. CDU und FDP haben Ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2030 zwar bereits aufgegeben. Aber auch die Klimaneutralität bis 2040 verlangt große Kraftanstrengungen. Umso wichtiger ist, dass überfraktionell die Handlungsnotwendigkeit erkannt und die Mittel für die Sofortmaßnahmen für das Jahr 2023 im Masterplan Klimaschutz erhöht worden sind. Mit unserem Antrag zur Einführung eines ProKlima-Fonds unterstützen und aktivieren wir zudem private Investitionen in den Klimaschutz. Der von uns beantragte Masterplan Elektromobilität befindet sich in Erarbeitung. Aber gerade bei der Ladeinfrastruktur müssen wir auch ins Handeln kommen. Rheine hat sowohl zentral als auch dezentral zu wenige Ladepunkte. Auch bei der Ausstattung von Fahrzeugen der städtischen Tochtergesellschaften und der Stadtbusse mit elektrischen Antrieben sowie dem Ausbau von E-Carshring-Lösungen glänzen wir nicht mit einer hohen Geschwindigkeit.

Die Digitalisierung ist Chance und Herausforderung zugleich. Mit der Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung sind wir bereits einen ersten wichtigen Schritt gegangen. Das darf aber nicht der letzte Schritt sein. Wir brauchen eine klare digitale Beteiligungsstrategie sowie eine Smart City-Strategie. An der Beteiligungsstrategie arbeiten wir zurzeit. Leider haben CDU, FDP und Grüne die Stelle für den Smart-City-Koordinator nicht eingerichtet. Das bremst die Digitalisierung aus. Selbst wenn wir nach GPA-Bericht im kommunalen Vergleich relativ gut dastehen, sind Kommunen in Deutschland ganz grundsätzlich keine Vorreiter der Digitalisierung. Der fehlende Smart-City-Koordinator hat zudem direkte Auswirkungen auf wesentliche Herausforderungen, die uns beschäftigen. Weil die Ratsmehrheit diese Stelle nicht schafft, verschlechtern sich unsere Möglichkeiten bei Klimaschutz, Energiewende, Mobilität usw. Diese Stelle nicht zu schaffen, ist eine der größten Fehler in diesem Stellenplan.

Das Thema Wohnraum bleibt in den nächsten Jahren besonders wichtig. Mit dem Wohnraumversorgungskonzept haben wir einen wichtigen Schritt für mehr bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum gemacht. Dabei werden wir aber auch immer wieder Zielkonflikte mit anderen Vorhaben erleben. Ein Beispiel ist die Diskussion zum Emsauenquartier Walshagen. Ich halte den aktuellen Entwurf mit der HQextrem-Linie, den Dach- und Fassadenbegrünungen sowie den weitgehenden Baumerhalt für eine gute Lösung. So viel Entsiegelung wie möglich und so wenig Versiegelung wie nötig muss grundsätzlich unsere Prämisse für die weitere Stadtentwicklung sein. Und da ist es auch richtig, wenn wir bei diesen Themen oft kontroverser diskutieren und um genau diese Linie des verantwortungsvollen Handelns ringen.

Neben der Frage des grundsätzlich bezahlbaren Wohnraums dürfen wir insbesondere die Menschen mit Behinderung und Teilhabeeinschränkung nicht vergessen. Es braucht dabei sowohl barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnraum als auch ausreichend Betreuungs- und Wohnplätze, die die unterschiedlichen Bedarfe wohnortnah darstellen. Hinzu kommt die Frage der Obdachlosigkeit. Wohnangebote für Obdachlose sind auf dem freien Markt kaum darzustellen, deswegen braucht es mehr Angebote der öffentlichen Hand sowie sozialer Träger. Insbesondere bei Frauen stellt die Obdachlosigkeit auch immer eine Gefahr dar, die über die reine Obdachlosigkeit hinaus geht. Obdachlose mit Tieren haben sogar kaum eine Chance unterzukommen.

Ich mache mir Sorgen um den Kulturstandort Bentlage. Seit einem Jahr ist die kulturelle Begegnungsstätte Kloster Bentlage ohne eine künstlerische Leitung. Die Hängepartie um die Ausschreibung hat bereits jetzt dem Kulturort Bentlage geschadet und Vertrauen bei den Ehrenamtlichen zerstört. Es braucht eine zeitnahe Lösung, die aus unserer Sicht nur in einer Wiederbesetzung der künstlerischen Leitung liegen kann. In dieser fehlenden Besetzung liegt zurzeit der offensichtliche Mangel in Bentlage. Darüber hinaus müssen wir schauen, wie wir Bentlage stärken und weiterentwickeln können. Zunächst müssen wir aber schauen, dass der Kulturort Bentlage nicht noch weiteren Schaden nimmt.

Auch im Jahr 2023 werden wir wieder sehr viele Bau- und Sanierungsmaßnahmen haben, die Schulen betreffen. Alle Maßnahmen sind notwendig, um unsere Schulen auf die Zukunft einzustellen. Wir müssen die Schulen weiter aus der „Kreidezeit“ holen und digitale Infrastruktur aufbauen. Wir als SPD-Fraktion wollen Schulen in Rheine weiter stärken und ausbauen. Für eine gelingende Inklusion und für das Recht auf Ganztagsbetreuung brauchen wir Räume und Personal. Dazu braucht es u.a. Anschlussmittel an das Projekt Gute Schule 2020. In der Schule muss die Mangelwirtschaft mit einer Personaloffensive beendet werdend, dazu muss das Land mehr unterstützen. Gerade das Thema Inklusion müssen wir auch in Kitas berücksichtigen. Die Weiterentwicklung der heilpädagogischen, additiven Kindertageseinrichtungen muss kritisch im Jugendhilfeausschuss betrachtet und weiterverfolgt werden, um die KiBIz-Einrichtungen nicht zu überfordern und die Bedarfe der Kinder mit Behinderungen aus einer engen Verzahnung des KiBIz mit dem SGB IX sicherstellen zu können und kein Kind zurückzulassen.

Sportvereine wollen wir gezielt unterstützen. Dazu gehört insbesondere die Modernisierung der Sportstädten. Wir müssen dafür sorgen, dass Sport auch außerhalb des Fußballs beste Bedingungen erhält und die Vielfalt erhalten bleibt. Viele Vereine sind – nicht nur durch Corona – an ihre Belastungsgrenzen gelangt. In vielen Fällen sind die Vereine mit ihren Herausforderungen allein. Die Sportvereine sollten in einigen Fällen aber auch die Bereitschaft zu mehr Kooperationen oder Fusionen zeigen, wenn Mitgliederstrukturen allein nicht mehr tragfähig sind.

Wir diskutieren jetzt seit deutlich über einem Jahr zwischen den Fraktionen das Thema Faire Beschaffung und haben einen überfraktionellen Antrag erarbeitet. Ich finde es schade, dass sich die Mehrheitsfraktionen aus diesem gemeinsamen Vorhaben zurückgezogen haben. Das deutsche Lieferkettengesetz, das seit 01. Januar gilt, haben wir noch gemeinsam mit der CDU in der großen Koalition beschlossen. Es wird Zeit, dass wir auch hier vor Ort ins Handeln kommen. Wir müssen den Anspruch haben, dass die Blumen zum 90. Geburtstag nicht aus Kinderarbeit kommen, dass die Steine auf unseren Plätzen nicht anderswo zur Umweltzerstörung beitragen und dass die Dienstkleidung der Feuerwehr nicht unter Ausbeutung genäht werden. Ich hoffe, dass wir den gemeinsamen Antrag zumindest perspektivisch wiederbeleben können.

Ich vermisse außerdem den sehr sinnvollen Antrag von CDU und FDP zur Nachhaltigkeitsstrategie. Ich hoffe, dass wir auch hier ins Handeln kommen. Dieser Antrag darf nicht nur eine PR-Maßnahme gewesen sein. Er muss Realität werden.

Dem Haushalt und Gesamtstellenplan stimmen wir zu, weil wir die Maßnahmen, die sich daraus ableiten im Wesentlichen für richtig und wichtig halten. Wir bedanken uns für die Zusammenarbeit mit der Verwaltung und mit den anderen Fraktionen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit