„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“

Am 23. März 1933 beschloss eine Zweidrittelmehrheit des Reichstages, bestehend aus den Nationalsozialisten, den Deutschnationalen, dem Zentrum, der Bayerischen Volkspartei, der Staatspartei und anderen das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (Ermächtigungsgesetz). Damit wurden die ureigensten Rechte des Parlaments als Gesetzgeber an den, gerade am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannten, Adolf Hitler übertragen. Heute wissen wir um die schrecklichen Folgen dieser Entscheidung. Von der SPD-Fraktion befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits 26 Abgeordnete in Haft oder auf der Flucht, ebenso die komplette kommunistische Fraktion. Allein die 94 anwesenden sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten stimmten nach der mutigen Rede ihres Parteivorsitzenden Otto Wels in namentlicher Abstimmung gegen das Ermächtigungsgesetz. Der Satz „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“ aus der Rede von Wels zeigt, wie bewusst den Reichstagsabgeordneten der SPD ihre Lage war.

Auch in Rheine wurde durch das Ermächtigungsgesetz schnell deutlich, wer die neuen Machthaber im Lande sind. Die Rats- und Parteimitglieder der KPD waren bereits verhaftet und ihre Sitze im Rathaus blieben leer. Die Ratsmitglieder der SPD wurden massiv in der Ausübung ihrer Mandate behindert und konnten sich gegen dieses Vorgehen nicht wehren. Einige Rheiner Sozialdemokraten entschieden sich jedoch aktiv Widerstand zu leisten. Sie bezahlten ihre gelebte Zivilcourage oft mit dem Leben. Kaum einer kann von uns erahnen, was diese Männer und mit ihnen viele hunderttausende weitere Menschen durchgemacht haben. Unser Respekt vor ihnen kann nicht groß genug sein.

„Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten“, hieß es in der Rede von Otto Wels weiter. Die Standhaftigkeit der SPD-Reichstagsabgeordneten muss uns Vorbild und Verpflichtung sein. Die Werte und Rechte, die Otto Wels und seine Mitstreiter zu verteidigen suchten, dürfen für uns nicht zu Selbstverständlichkeiten werden, sondern müssen durch alle Demokraten, ob Bürger oder Politiker, jeden Tag aufs Neue verteidigt und gelebt werden.