Die Skepsis bleibt

Fraktionsvorsitzender Jürgen Roscher, Kreis-SPD-Vorsitzender Jürgen Coße, MdB Ingrid Arndt-Brauer, NRWSPD-Vorsitzender Mike Groschek, SPD-Rheine-Vorsitzender Stefan Kutheus, stellv. Landrätin Elisabeth Veldhues, Bürgermeister Peter Lüttmann und SPD-Rheine-Vorsitzende Bettina Völkening

SPD-Neujahrsempfang mit SPD-Landeschef Mike Groschek.

„Beschissen wirst Du überall“. Fast entschuldigend kündigte Peer Christian Stuwe, Frontmann der Gruppe „Dreimann“, den Titel des Liedes an, das die Saerbecker Musikband gleich im Anschluss an den Vortrag von SPD-Landeschef Mike Groschek, rein zufällig natürlich, spielte. Der Gast aus Düsseldorf zeigte Humor und schloss sich dem allgemeinen Gelächter gutmütig an.

Zum Neujahrsempfang der Rheiner SPD gekommen waren neben der Bundestagsabgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, der stellvertretenden Landrätin Elisabeth Veldhues  und Kreisfraktionschef Jürgen Cosse auch Rheines Bürgermeister Lüttmann, Vertreter der Rheiner Wohnungsbauverbände und Mitglieder anderer SPD-Ortsvereine aus dem Kreis Steinfurt.

Überlagert von den Sondierungsergebnissen

Eigentlich hatten die Rheiner Sozialdemokraten ihren Landesvorsitzenden ins Salzsiedehaus in Bentlage eingeladen, um über sozialen Wohnungsbau und zukunftsorientierte Quartiersentwicklung zu sprechen. Zu hören bekamen sie dann aber einen engagierten Vortrag über die Ergebnisse der Sondierungsverhandlungen auf Bundesebene und notwendige Schritte zu Erneuerung der SPD. Die Themen Wohnungsbau und Quartierentwicklung kamen da nur noch am Rande vor.

Ein wenig entschädigt wurde die zahlreiche Zuhörerschaft allerdings durch die mitreißend vorgetragene Einschätzung der Berliner Sondierungsgespräche.

Zuletzt noch skeptisch

Manch ein Sozialdemokrat wird sich beim Vortrag des SPD-Landeschefs allerdings verwundert die Augen gerieben haben. Denn Mike Groschek, der noch vor wenigen Tagen seine Skepsis gegenüber einer Neuauflage der Großen Koalition (GroKo) öffentlich geäußert hatte, zeigte sich nun als Verfechter der Sondierungsergebnisse.

Heute Verfechter

Vieles, was die Unterhändler in Berlin verabredet hätten, trage die Handschrift der SPD. Als Beispiele nannte er die gesetzliche Festlegung des Rentenniveaus auf 48 Prozent und die Einführung einer Solidarrente. Beides verhindere einen weiteren Anstieg der Altersarmut. Und die Wiedereinführung der durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber in gleicher Höhe finanzierten  Krankenversicherung bringe mehr Gerechtigkeit ins Gesundheitswesen. Nicht zu vergessen auch die ausgehandelte Gebührenfreiheit bei den Kitas, die gerade junge Familien entlaste.

Bauchschmerzen bleiben

Bauchschmerzen bereite ihm zwar, dass es keine oder nur geringe Fortschritte bei der Bürgerversicherung, beim Spitzensteuersatz oder beim Familiennachzug Geflüchteter gegeben habe, immerhin drei zentrale Verhandlungspunkte der SPD. Aber es sei bei der Frage von Steuererhöhungen oder Reichensteuer schon ein Erfolg der Sozialdemokratie, wenn, wie verabredet, die Abgeltungssteuer wegfalle.

Keine vagen Formulierungen

Voraussetzung ist aber, so Groschek,  dass ein Koalitionsvertrag, käme es denn zu entsprechenden Verhandlungen, „keine Wenn, Vielleicht oder Könnte-Formulierungen enthält. Nur garantierte Verabredungen, keine Wolkenkuckucksheime dürfen Entscheidungsgrundlage sein“.

Nicht nur Zustimmung

Nicht bei allen Zuhörern, so zeigten die teilweise erregten Diskussionen in kleinen Gruppen beim anschließenden Sektempfang, trafen die Bewertungen Groscheks auf Zustimmung. „Der Wegfall der Abgeltungssteuer ist kein Ersatz für die Anhebung des Spitzensteuersatzes“, „es gibt nicht einmal einen Einstieg in die Bürgerversicherung“ und „mit diesem bayrischen Zwergenhirn Dobrindt kann es keine vertrauensvolle Zusammenarbeit geben“, waren nur einige der kritischen Äußerungen.

Vor allem die Jusos wollen keine erneute große Koalition. Das zeigten sie auch beim Neujahrsempfang der Rheiner Sozialdemokraten mit einem Plakat an der Eingangstür. „No GroKo“ war dort in Großbuchstaben für die Besucher zu lesen.

Erneuerung bleibt Thema

Es wird jedenfalls spannend, war das allgemeine Fazit. Gemeint waren damit nicht nur die kommenden Wochen mit Parteitag und Mitgliederentscheid, sondern auch die anstehende Neuerung der Partei. Dazu hatten die beiden Vorsitzenden der Rheiner SPD, Bettina Völkening und Stefan Kutheus schon einen Vorschlag in ihrer Begrüßung zu Beginn des Neujahrsempfang gemacht: „Wir sollten in unseren Statuten auch die Möglichkeit zur Bildung einer Doppelspitze bei der Parteiführung festlegen. Damit entlasten wir die Ehrenamtlichen, die noch bereit sind, die anspruchsvolle und zeitintensive Vorstandsarbeit in unseren Gliederungen zu leisten.“

Ob dieser Vorschlag auf Resonanz trifft, wird sich nicht zuletzt in den anstehenden Diskussionen über eine Erneuerung und Verjüngung der Partei zeigen. Beschissen werden soll dabei nicht.