Jürgen Roscher – Haushaltsrede 2018

edf

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Lüttmann,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates,

sehr geehrte Medienvertreter,

sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst bedankt sich die SPD-Fraktion bei der Verwaltung für die Aufstellung des Stellen- und Haushaltsplanentwurfes. Wie in den vergangenen Jahren wurde hier intensiv und verantwortungsvoll gearbeitet. Seit Einbringung der Entwürfe im September 2017 sind bis jetzt zahlreiche Anpassungen erforderlich gewesen. Diese Veränderungen wurden transparent dargestellt und alle Fragen zum Stellen- und Haushaltsplan 2018 aus dem Rat und den Fachausschüssen wurden bestmöglich durch die Verwaltung beantwortet.

Heute entscheidet der Rat über die vorliegenden Entwürfe als Basis für die weitere Arbeit im Jahr 2018. Veränderungen im Jahresverlauf können sich ergeben, wenn sich die Finanzlage der Stadt ändert oder sich durch Gesetze sich die kommunalen Aufgaben gravierend verändern.

Ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung ein angemessenes Arbeitspensum leisten, Tag für Tag eine engagierte und gute Arbeit verrichten, können wir als Mitglieder des Rates nur sehr eingeschränkt beurteilen. Wir sind weitestgehend auf die Erklärungen und Aussagen der Führungskräfte der Verwaltung angewiesen. Dies betrifft die Anzahl der benötigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Bewertung für die Entgelteingruppierung bzw. die Besoldung.

Konkret werden im Stellenplan 2018 jetzt 15,5 Stellen mehr ausgewiesen als im Jahr 2017. Durch diese Maßnahmen und neuen Bewertungen der Entgeltordnung ergibt sich grundsätzlich eine Erhöhung der Personalaufwendungen. Nach Aussage der Verwaltung werden die höheren Aufwendungen aus der Entgeltordnung durch ein „Einfrieren“ der Jahressonderzahlungen auf dem Stand des Jahres 2015 und Herabsetztung der Bemessungssätze für die Sonderzahlungen ab dem Jahr 2017 um vier Prozentpunkte kompensiert.

Tarifliche Vereinbarungen einhalten

Für die SPD-Fraktion entwickelt sich hier ein grundlegendes Problem. Einerseits dürfen sich die Personalaufwendungen nicht so entwickeln, dass diese die Handlungsfähigkeiten in den Projekten und Aufgaben zur Sicherung des Gemeinwohls bzw. der Daseinsvorsorge einschränken oder unmöglich machen. Andererseits kann und darf es unserer Ansicht nach auch nicht sein, dass tarifliche Vereinbarungen der vergangenen Jahre aufgehoben werden und dies „nur“ um die Personalkosten zu deckeln.

Gefahr der Fachkräfteabwanderung

Bewertet man diese Lage vor dem Hintergrund der derzeitigen guten finanziellen Lage von Bund, Land und Stadt, dann erhöhen sich nach unserer Ansicht die Zweifel an solchen Entscheidungen. Wenn sich diese Entwicklung weiter verfestigt, dann dürfte es schwer fallen zukünftig geeignetes Fachpersonal für die Verwaltungsarbeit zu finden und dauerhaft zu binden. Die Konkurrenz zur sogenannten freien Wirtschaft (IT-Unternehmen usw.) und Finanzwelt (Banken, Sparkassen, Versicherungen usw.) besteht bereits und wird sich verschärfen. Qualifiziert ausgebildete und engagierte Fachkräfte der Stadtverwaltung könnten auch zu anderen Kommunen „abwandern“, weil diese bessere Arbeitsbedingungen und höhere Jahreseinkommen garantieren. Teilweise ist diese „Abwanderung“ schon jetzt erkennbar.

Überlastung der Verwaltung

Jetzt nach ein paar Jahren mit Umsetzung von KW-Vermerken (für Planstellen die zukünftig nach Verrentung/Pensionierung, Arbeitgeberwechsel oder durch Umsetzung innerhalb der Verwaltung auf andere freigewordenen Stellen wegfallen) stellt sich für die SPD-Fraktion auch die Frage, ob immer die „richtigen“ Stellen gestrichen wurden.

Wir haben Aussagen aus der Verwaltung gehört, dass die Aufgabenerfüllungen für Maßnahmen mit fachbereichsübergreifenden Inhalten nicht oder zumindest nicht so zügig erfolgen konnten, wie in der Vergangenheit. Als Beispiel könnten die Bauarbeiten an der Nelson-Mandela-Sekundarschule angeführt werden. Weiter haben wir berichtet bekommen, dass die weiteren Maßnahmen am alten Rathaus (am sogenannten Franksmannflügel) aus personellen Gründen nicht bzw. noch nicht vollzogen werden konnten.

Stellenausweitung nötig

Die Priorisierung der Verwaltungsarbeit habe Projekte mit Förderungen von Land und/oder Bund als zu bevorzugen eingestuft. Aussagen wie: „Wir haben genügend Häuptlinge (Führungskräfte) jedoch zu wenig Indianer (Sachbearbeiter)“ konnten wir Ratsmitglieder aus der Verwaltung vernehmen. Auf konkrete Nachfrage im Fachausschuss wurde die Notwendigkeit einer befristeten und/oder unbefristeten Stellenausweitung im Dezernat für Stadtplanung und Bauen für nicht erforderlich gehalten.

Wichtige Projekte umsetzen

Für die SPD-Fraktion stellt sich deshalb die Frage, wann der Beschluss des Rates das „alte Rathaus“ zu sanieren von der Verwaltung vollzogen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es so zu sein, dass die Fertigstellung erfolgt, wenn es keine Förderungsmöglichkeiten von Land oder Bund für andere Projekte mehr gibt. Dies ist unserer Ansicht nach nicht gut. Die Verwaltung sollte nicht lediglich entscheiden  „wie“ ein Auftrag umgesetzt wird. Die Verwaltung sollte auch entscheiden, „ob“ vom Rat der Stadt verpflichtende Entscheidungen bearbeitet und umgesetzt werden.

Die gerade gemachten Aussagen führen nicht zur Ablehnung des von der Verwaltung erarbeiteten Stellenplanes 2018 durch die SPD-Fraktion. Sie sollen aber Tendenzen aufzeigen, die wir weiter beobachten und ggf. bei zukünftigen Entscheidungen erneut thematisieren werden.

Rücklagen bilden

Der Ergebnis- und Investitionsplan 2018-2021 ist nicht nur ausgeglichen. Die geplanten Aufwendungen sind erfreulicher Weise geringer als die Erträge. Die Stadt kann wieder Rücklagen für zukünftige Krisenzeiten bilden, Schulden reduzieren und Altersvorsorge für die beamteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden.

Gute Konjunktur

Wie kommt es zu dieser positiven Finanzlage der Stadt? Die Steuerquellen fließen, die Konjunktur lässt die Finanzminister von Bund und Land aufatmen und die Kämmerer der Kommunen wieder ruhiger schlafen. Land und Bund können Förderprogramme finanzieren und so auch die Kommunen finanziell entlasten. Die Einsparmöglichkeiten der Kommunen durch Reduzierungen von sogenannten freiwilligen Aufgaben waren und sind insgesamt „nur“ als sehr gering zu beurteilen, dies gilt auch für die Stadt Rheine.

Auch die Stadt Rheine profetiert von der guten Konjunktur. Der Bemessungstopf des Gemeindefinanzierungsgesetzes ist gut gefüllt, die Gewerbesteuern werden pünktlich und mit wachsendem Volumen gezahlt, der kommunale Anteil an der Einkommenssteuer wächst. Es geht uns also diesbezüglich gut.

Noch keine Senkung der Grundsteuer

Was spricht also gegen eine Senkung von kommunalen Abgaben/Steuern zum jetzigen Zeitpunkt? Die Beantwortung dieser (zugegeben rethorischen Frage) ist durchaus vielschichtig.

Die wesentlichen Punkte sind aus Sicht der SPD-Fraktion:

1. Grundsätzlich sind alle Einnahmen der Stadt aus Steuern, Gebühren usw. nur für die Gewährleistung der Daseinsvorsorge und Förderung des Gemeinwohls zu verwenden. Die gerechte Entlohnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung ist ein Bestandteil dieser Aufgaben.

2. Die Reduzierung der Rücklagen, des Vermögens der Stadt in den letzten Jahren, war deutlich stärker als der positive Abschluss des letzten Jahres und des geplanten Haushaltsjahres 2018.

3. Die wegen der Altersstruktur der Mitarbeiterschaft der Verwaltung zu erwartenden Pensionszahlungen erfordern eine deutlich höhere Altersvorsorge.

4. Städtische Gebäude sind ein Teil des Vermögens der Stadt. In den letzten Jahren wurden (zumindest nach Auffassung der SPD-Fraktion) Renovierungs- und Sanierungsarbeiten teilweise zeitlich verzögert und teilweise unterblieben solche Maßnahmen. Dies führte auch zu einer Reduzierung des Vermögens. Die Gebäude könnten nur mit deutlichen Abschlägen verkauft werden. Deshalb müssen wir in Rheine diese entstandenen Nachholbedarfe schnell reduzieren und auflösen. Wenn nicht jetzt bei der guten Finanzlage, wann dann? Die SPD-Fraktion erinnert in diesem Zusammenhang gerne an die gebetsmühlenartigen Warnungen des ehemaligen und langjährigen Hochbauamtsleiters Alfred Uphaus:“…Jede Mark, die wir in diesem Jahr bei der Instandhaltung einsparen, wird uns im folgenden Jahr zwei Mark kosten. Im darauffolgenden Jahr drei Mark…“ Das ist eine Binsenweisheit, die jeder Immobilienbesitzer befolgt. In den letzten Jahren wurde dieser Grundsatz bei den städtischen Gebäuden grob vernachlässigt.

5. Die Entwicklung der Aufwendungen für soziale Leistungen sind in den letzten Jahren stetig stärker als die Erträge der Stadt gestiegen. Entlastungen wurden mittlerweile den Kommunen durch entsprechende Förderprogramme gewährt. Diese haben jedoch (zumindest teilweise) keine strukturelle Verbesserung der Ertragssituation der Kommunen erzielt. Beispiel: Die Kostenübernahme in Höhe von 5 Mrd. Euro durch den Bund im Bereich der Eingliederungshilfe führt derzeit zur Entlastung der Kommunen. Die 5 Mrd. Euro werden nach Einschätzung von Experten ca. 2020 verbraucht sein. Alle danach sich entwickelnden Mehrbedarfe müssen dann wieder die Kommunen allein tragen. Die Anzahl der Personen mit entsprechenden Beeinträchtigungen und die Bedarfe an Eingliederungshilfen steigen aber weiter u. a. wegen der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft und des allgemeinen medizinischen Fortschrittes. Eine wirkliche Entlastung der finanziellen Lage der Kommunen wäre eine prozentuale Beteiligung an den tatsächlich entstehenden Kosten der Eingliederungshilfe durch Bund und Land. Die staatlichen Förderprogramme werden zumindest teilweise durch Reduzierungen anderer gerade für die Kommunen wesentlicher Bereiche finanziert. Auch dazu ein Beispiel. Das Land NRW hat mit der neuen schwarz/gelben Regierung die Förderungen für den sozialen Wohnungsbau von ca. 1,2 Mrd Euro auf ca. 800 Mio. Euro gekürzt. Dies vor dem Hintergrund, dass Bindungsfristen früher geförderter Sozialwohnungen zunehmend wegfallen und in den kommunalen Oberzentren bezahlbare Wohnungen ein äußerst knappes Gut sind. Wie wird sich diese Kürzung der Förderung „Sozialer Wohnungsbau“ auswirken? Wir befürchten, dass sich die Förderbescheide des Landes auf die Oberzentren konzentrieren werden. Der ländliche Raum und damit auch der Kreis Steinfurt wird leer ausgehen bzw. mit deutlich geringeren Fördermitteln auskommen müssen. Rheine als kommunales Mittelzentrum wird wahrscheinlich einen deutlichen Zuzug von finanziell benachteiligten Personen erleben. Die Abwanderungen aus den Ballungsräumen in andere Städte mit ähnlichen Bildungsangeboten, Arbeitsplätzen, kulturellen, sportlichen und Freizeit-Angeboten (wie z. B. Rheine) wird bestehen bleiben. Hinzu kommt: Die kleineren Gemeinden werden nicht „mehr“ in der Lage sein, ausreichende und bezahlbare Wohnungen für diesen Personenkreis anbieten zu können. Eine Erhöhung der Landesförderung für sozialen Wohnungsbau und eine Wohnungs(bau)-Gesellschaft des Kreises würden dieser Entwicklung entgegenwirken.

Für die SPD-Fraktion ist deshalb die Diskussion über die Senkung von kommunalen Steuern verfrüht.

Förderprogramme – ferngesteuerte Kommunen

Die SPD-Fraktion begrüßt die Förderprogramme, die durch den Bund und das Land erfolgen. Dadurch können wir zumindest einige Zukunftsaufgaben positiv in Angriff nehmen. Die Förderung von kommunalen Investitutionen und Gute Schule 2020 sind „nur“ zwei Bereiche die hier und jetzt benannt werden sollen. Die Stadt Rheine hat aus diesen und anderen Programmen sehr positive Förderbescheide erhalten. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Nach unserer Auffassung ist das IEHK 2025 der Stadt Rheine ein wesentlicher Baustein für diese Situation. Die Verwaltung hat zudem intensiv und erfolgreich die entsprechenden Fördermöglichkeiten er- und bearbeitet.

Die Förderprogramme enthalten nach unserer Ansicht aber auch negative Aspekte. Wenn Kommunen nur noch Entscheidungen mit finanziellen Auswirkungen treffen können, wenn ein Förderprogramm erhebliche Kostenübernahmen garantiert, dann wird die kommunale Selbstbestimmung eingeschränkt bzw. untergraben. Die Kommune wird „ferngesteuert“ durch den, der den Hauptanteil der Kosten trägt und die Bedingungen der Förderung diktiert.
Für die Zukunft sollte u. E. das IEHK 2025 evaluiert werden und ein IEHK 2030 entwickelt werden. Wir brauchen diese Fortentwicklung um auch zukünftig alle Fördermöglichkeiten durch EU, Bund und Land erkennen und nutzen zu können und insbesondere um die Entwicklung unserer Stadt zum Wohle der hier lebenden Menschen zielgerichtet zu ermöglichen.

Ziele für die Entwicklung der Stadt

Die nächsten zwei bis fünf Jahre müssen nach unserer Ansicht genutzt werden, um Fortschritte zumindest in folgenden Bereichen zu erzielen:

1. Die Entwicklung unserer Schulen zu beispielhaften Einrichtungen mit Nutzung und Vermittlung der IT-Kompetenzen.

2. Inklusion als Auftrag nicht „nur“ für die Schulen, sondern für alle öffentlichen Bereiche.

3. Ein innerstädtisches Verkehrskonzept, das zur Reduzierung der Umweltbelastungen beiträgt und die Erreichbarkeit von Arbeits- und Erholungsorten mit ÖPNV und/oder Fahrrad fördert bzw. ermöglicht.

-Hierzu zählt sicher auch das „Sozialticket“. Zunächst nach intensiver Diskussion eingeführt, wollte die schwarz/gelbe Landesregierung dies für das Jahr 2018 deutlich reduzieren. Die intensiven Proteste haben zumindest für dieses Jahr eine Korrektur erzwungen. Die SPD-Fraktion bedankt sich nochmals bei den anderen Ratsfraktionen für die Unterstützung der Resolution an die Landesregierung/Landtag zum Erhalt des „Sozialtickets“ über das Jahr 2018 hinaus.-

4. Die Integration von ausländischen Personen mit Bleibeperspektiven.

5. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in den sogenannten Randzeiten (Anzahl der Kita und Gestaltung der Betreuungszeiten).

6. Die Weiterführung der Konversion insbesondere des Areals an der Mittelstraße und Klärung der Situation des Areals der Theodor-Blank-Kaserne (Gibt es hier eine weitere Nutzung ggf. auf Teilflächen durch die Bundeswehr? Steht die (Rest)Fläche für die städtische Entwicklung zur Verfügung? Wird eine städtische Nutzung ggf. erst dann ermöglicht, wenn der Zustand der Gebäude und des Anwesens insgesamt wie auf dem Areal der Eschendorfer Aue eingetreten ist? Benötigt die Stadt nicht weitere Gewerbefläche? Könnten dort nicht Projekte z.B. für den Klimaschutz entwickelt und umgesetzt werden?)

7. Weiterführung des Rahmenplans Innenstadt.

8. Sportstätten- und Sportangebote die zeitgerecht sind und Gesundheitsprävention beinhalten.

9. Weiterentwicklung des Gesundheitsstandortes Rheine

10. Förderung eines bunten Kulturangebotes, das Lust macht in Rheine zu leben.
(Die Nummerierung enthält keine Priorisierung der genannten Aspekte.)

Die SPD-Fraktion hat in den Fachausschusssitzungen nach Einbringung des Entwurfes des Haushaltsplan 2018 keine kostenträchtigen Veränderungsanträge gestellt.

Der vorliegende Beschlussvorschlag ist in der jetzigen Lage unter den jetzt gegebenen Umständen ein geeignetes Mittel zur Entwicklung der Stadt.

Die gerade gemachten Anmerkungen verdeutlichen unsere Erwartungen für die nächsten Monate und Jahre.

Wir stimmen dem vorliegenden Beschlussvorschlag zum Haushaltsplan 2018 zu.